Wann sie es besser bleiben lassen
Einleitung
Nach einer meiner letzten Speeches kam eine Zuhörerin auf mich zu und sagte: „Mein Chef ist an Respektlosigkeit nicht zu überbieten, der toppt alles“! Ich sagte ihr, dass ich gerade aus dem Recruiting richtige Horrorstorys kenne und mich so schnell nichts mehr schockiert. Um eines vorwegzunehmen, sie hatte recht und es hat mich schockiert. In diesem Blogbeitrag geht es darum, dass egal wie tief das Niveau ist, manche Arbeitgeber immer noch aufrecht darunter durchgehen können.
Verabschiedung in den Ruhestand
Meine Gesprächspartnerin erzählte mir, dass sie Abteilungsleiterin eines mittelständischen Unternehmens in der Holzindustrie ist. Sie führt 8 Mitarbeiter, im gesamten Unternehmen sind 43 Mitarbeiter plus Geschäftsführer. Einer Ihrer Mitarbeiter sollte nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit in den Ruhestand verabschiedet werden. Wie man sich denken kann, gab es auch in diesem Berufsleben Höhen und Tiefen, in diesem Fall sogar eine überstandene Alkoholabhängigkeit, der Mitarbeiter war seit 15 Jahren trocken. Das ist zudem jedem im Unternehmen bekannt. Auch dem Geschäftsführer.
Bis hierher ist das auch kein Problem, das kommt jetzt. Das Abschiedsgeschenk, das die Abteilungsleiterin im Namen des Unternehmens überreichen sollte, war eine Flasche Schottischer Whisky. Sie haben richtig gelesen, man wollte dem Mitarbeiter zum Ruhestand eine Flasche Whisky schenken, obwohl die Alkoholsucht bekannt gewesen ist. Die Abteilungsleiterin hat ihren Chef gefragt, ob er das wirklich Ernst meint, da es in diese, Fall absolut unpassend sei. Aus, wie ich finde, absolut nachvollziehbaren Gründen. Dieser entgegnete jedoch: „Das haben wir schon immer so gemacht!“
Da sie sich geweigert hat, das Geschenk zu überreichen, hat der Chef das kurzerhand selbst übernommen. Vor versammelter Belegschaft unter sehr vielen skeptischen Blicken, da es niemand nachvollziehen konnte. Der besagte Mitarbeiter hat wohl umgehend und ohne noch etwas zu sagen, das Unternehmen verlassen.
Standard muss nicht ins Detail geplant sein
Das Beispiel ist, so hoffe ich, ein Einzelfall. Und natürlich kann ich nachvollziehen, dass jeder Mitarbeiter zum Geburtstag, Hochzeit, Jubiläum oder eben auch zum Eintritt in den Ruhestand das gleiche Geschenk bekommen soll. Es wird sich ja bei der Auswahl, so hoffe ich, jemand mal Gedanken gemacht und das jeweilige festgelegt haben. Jedoch, und das muss ebenfalls gegeben sein, muss von einem standardisierten Vorgehen abgewichen werden können. Aus genau dem oben genannten Beispiel ist sehr gut ersichtlich, warum.
Ich setzte sogar noch einen darauf. Wer an einem standardisierten Vorgehen festhält, obwohl die Nachteile bekannt sind, ist absolut respektlos. Ich kann nicht mal im Ansatz nachvollziehen, wie es dem Mitarbeiter in dem Moment gegangen sein muss. Das Ganze ist, anders kann ich es nicht sagen, ein Schlag ins Gesicht. Da fehlte eigentlich nur noch eine Karte mit dem Aufdruck: „Verzieh dich endlich, du bist nun überflüssig.“
Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance und der letzte Eindruck bleibt hängen. Diese Aussage, so oft sie auch schon verwendet wurde, trifft das ganze auf den Punkt. Nicht nur, dass der ehemalige Mitarbeiter nun immer einen sehr üblen Beigeschmack haben wird, wenn er an seinen alten Arbeitgeber denkt. Zumal er 30 Jahre dort beschäftigt gewesen ist. So schlecht kann es also nicht gewesen sein. Hinzu kommt die Tatsache, dass die gesamte Belegschaft den Vorfall mitbekommen hat. Wenn Sie eine Möglichkeit suchen, Ihren Ruf als Arbeitgeber langfristig zu schädigen, dann wäre das hier beschriebene Vorgehen ein sehr guter Ansatz. Sie können sich sehr sicher sein, von der vorhandenen Belegschaft wird niemand mehr jemandem raten, in diesem Unternehmen anzufangen.
Wie es laufen könnte
Ich habe vor Jahren mitbekommen, dass ein Kollege in Rente gegangen ist. Da es ein wenig an Ideen fehlte, was ein geeignetes Abschiedsgeschenk ist, hat man einfach dessen Ehefrau gefragt. Ein Vorgehen, das wirklich erwähnenswert ist. Denn dann ist es fast ausgeschlossen, dass die Wahl falsch ist.
Wenn wir über Wertschätzung und Respekt sprechen, dann führt hier an ein bisschen Denk und Recherchearbeit kein Weg vorbei. Im Übrigen ist der Wunsch nach Wertschätzung in mindestens 7 von 10 Telefonaten, die ich mit Bewerbern führe, gegenwärtig.
Zudem wäre es auch eine Variante, und ja, ich weiß, das klingt verrückt, die betreffende Person selbst zu fragen. Im Vorfeld ein Budget festlegen und das Ganze in Ruhe besprechen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit gibt es sicherlich noch mehr Möglichkeiten. Jedoch ist so ziemlich alles besser als das oben genannte vorgehen. Selbst den Mitarbeiter ohne Geschenk und Verabschiedung in den Ruhestand zu schicken wäre besser gewesen.
Fazit
Spätestens wenn bekannt ist, dass ein standardisiertes Vorgehen ein schlechtes Ergebnis hervorrufen wird, muss davon abgewichen werden. Wenn Respekt und Wertschätzung sich ebenso in kleinen Dingen zeigen, wird das deutlich.
Mit dem Wunsch, dass das oben genannte Beispiel ein Einzelfall bleibt, verbleibe ich mit besten Grüßen!
Ihr
Christian Milerski