WARUM WIRD WEISHEIT VERACHTET?
EINLEITUNG
Ich bin zu dem Zeitpunkt, als ich diesen Blogbeitrag schreibe, 35 Jahre alt. Und ja, ich sehe das ganze realistisch, das ⅛ ist vorbei. Zudem bedeutet es, dass ich das heutige Thema nicht aus eigener Erfahrung kenne, jedoch möchte ich es trotzdem beleuchten. Ich dachte eigentlich, dass man Erfahrung selbst machen muss. Jedoch berichtet mir ein Großteil der Arbeitnehmer, die über 50 sind, dass sich die Jobsuche als sehr anspruchsvoll und durchaus langwierig gestalten kann. Deshalb einmal meine Sichtweise auf ein Thema, das uns alle angeht.
BIRGT DAS ALTER EIN RISIKO?
Egal, ob ich mich mit Freunden und Bekannten unterhalte, oder im Rahmen meiner Tätigkeit im Bewerbermanagement mit Bewerbern über 50 Jahre austausche. Immer wieder wird mir davon berichtet, dass die Jobsuche, sobald man 50 Jahre alt ist, deutlich anspruchsvoller wird.
Bei jemandem aus der Verwandtschaft, der als Berufskraftfahrer gerne wechseln und als Staplerfahrer arbeiten möchte, kamen noch nicht mal mehr Antworten auf die Bewerbungen.
Meine Idee, was zur Abneigung von Arbeitgebern dieser Bewerber führt, ist das eventuell höhere Risiko für Erkrankungen. Und ja, irgendwie kann ich das sogar nachvollziehen. Natürlich ist im Alter die Gefahr für Erkrankungen höher und damit auch das Risiko für einen Ausfall des Beschäftigten.
Aus unternehmerischer Sicht könnte man diese Sichtweise auch nachvollziehen. Schließlich ist der Arbeitgeber in der Pflicht, die Stellen mit zuverlässigen Arbeitnehmern zu besetzen. Schließlich müssen bei einem Ausfall des Mitarbeiters die Arbeiten auf den Rest der Belegschaft aufgeteilt werden.
Mit dieser Sichtweise könnte ich den Blogbeitrag jetzt beenden, den Laptop zuklappen und einen Kaffee trinken gehen. Warum ich das nicht tun werde, beleuchte ich im nächsten Abschnitt.
WOLLEN SIE DAS WISSEN WIRKLICH WEM ANDERS ÜBERLASSEN?
Was mich wirklich an dem Ansatz stört, ältere Bewerber nicht einzustellen, ist die Tatsache, dass das vorhandene Wissen ignoriert wird. Die Tatsache, dass Erfahrung nicht auf Bäumen wächst, ist hinlänglich bekannt. Und es ist vollkommen klar und nachvollziehbar, dass jemand mit 30 Jahren Berufserfahrung mehr Fachwissen hat, als jemand mit 10 Jahren Berufserfahrung.
Was mich dann richtig schockiert ist die Tatsache, dass in so manchem Bewerbungsprozess eine Künstliche Intelligenz eingebaut ist, die jeden Bewerber ab einem gewissen Alter ablehnt. Und eine automatisierte Absage versendet. Meiner Meinung nach kann der Fachkräftemangel so groß gar nicht sein, wenn noch nicht mal jede Bewerbung die eingeht auch tatsächlich gelesen wird.
Die Jüngeren lernen von den älteren, dieses Vorgehen ist vollkommen normal. Dass in Zeiten der Digitalisierung auch die älteren von den jüngeren lernen können und eventuell sogar müssen, steht auf einem anderen Blatt und ist nicht Teil dieses Blogbeitrags.
Wenn jetzt jedoch diese älteren Bewerber abgelehnt werden, wird die Chance vertan, dass die Jüngeren von dem Fachwissen profitieren. Davon abgesehen, dass jemand auch mit 55 Jahren nach heutigem Stand immer noch mindestens 12 Jahre Berufsleben vor sich hat.
Den 30-jährigen Bewerber, der 40 Jahre Berufserfahrung hat, wird man nun einmal nicht finden. Das Argument mit vielen Überstunden lasse ich hier nicht gelten.
Ganz einfach ausgedrückt bedeutet es, dass ein Unternehmen auf die Bewerber mit viel Expertise gar nicht verzichten kann.
Was das Krankfeiern angeht, ich kenne auch 20-Jährige, die keinen Monat ohne Krankmeldung auskommen.
DA WEIß ICH, WAS ICH HABE
Ein zusätzlicher Punkt, der definitiv dafür spricht, einen älteren Bewerber einzustellen, ist die „Langfristigkeit“. In den meisten Fällen ist bei jemandem, der die 50 überschritten hat, das Eintrittsdatum in die Rente bekannt. Und die meisten der älteren Bewerber möchten vor der Rente nicht noch 5-mal den Arbeitgeber wechseln. Sie können sich also sicher sein, wenn jemand aus der Altersgruppe in Ihrem Unternehmen arbeiten möchte, wird er motiviert bis zur Rente bleiben. Zumal der Wechsel gerade in der heutigen Zeit nicht immer freiwillig ist. Insolvenz des alten Arbeitgebers ist lediglich einer der Gründe, der momentan vermehrt auftaucht.
Wenn also jemand mit Anfang 50, und damit mit einer großen Menge an Expertise bei ihnen tätig werden möchte, ist das ihre Chance. Die Chance, jemanden zu bekommen, der noch ca. 15 Jahre seines Berufslebens bestreiten und in den meisten Fällen seinen Beitrag leisten möchte.
Die Frage ist jetzt nur noch, ob Sie diese Chance auch nutzen oder an Ihren Mitbewerber abgeben?
FAZIT
Ein Unternehmen, dass einen Bewerber auf Grund des alters ablehnt, lässt sehr viel Potenzial und Erfahrung vor dem Unternehmensgelände liegen. Es bestünde die Chance, einen motivierten Mitarbeiter für mehr als eine Dekade ins Unternehmen holen zu können. Jedoch wird diese Chance aufgrund von Vorurteilen oftmals nicht wahrgenommen.
Zumal sich die Frage stellt, wer der jüngeren Generation etwas beibringen soll, wenn die erfahrenen Mitarbeiter fehlen.
Gerade die älteren Bewerber sind eine riesige Chance. Wenn ich dann noch sehe, dass manche Unternehmen ein Vorurteil gegen GEN Z haben, da diese Generation angeblich auch nichts mehr leisten möchte, stellt sich die Frage, wer überhaupt noch infrage kommt.
Wenn ich jetzt weiter überlegen würde, hätte ich wahrscheinlich am Ende des Tages genügend Vorurteile gefunden, um wirklich jeden Bewerber abzulehnen.
Deshalb schließe ich mit der Bitte, auch den älteren Bewerbern eine Chance zu geben und wünsche Ihnen viel Erfolg dabei, dass Sie die offenen Stellen in Ihrem Unternehmen zügig besetzen können.
Ihr
Christian Milerski